„Nach einigen Tagen wagten wir uns vorsichtig zurück.“ Erinnerungen ans Kriegsende im Tharandter Wald

Vortrag und Gesprächsrunde mit Anke Binnewerg und Carola Ilian
27. Oktober 2021 um 18 Uhr
Saal des Erbgerichts Kurort Hartha, Talmühlenstraße 27

Am 27. Oktober möchten wir einen Einblick in die Ergebnisse unserer Vorrecherche zu den Ereignissen der letzten Wochen des 2. Weltkrieges im Tharandter Wald geben und das geplante „Mitmach-Raum-Tagebuch“ vorstellen. Die Veranstaltung ist kostenfrei und wird im Rahmen einer außerordentlichen Ortschaftsratssitzung des Ortschaftsrates von Kurort Hartha durchgeführt.

Vorrecherche

Unser Interesse an dem Thema wurde durch einen Bericht von Gerhard Steinecke geweckt, der im Mai 2020 im Tharandter Amtsblatt erschien. Wir waren beeindruckt von der Fülle von Ereignissen die im und um den Tharandter Wald oft direkt „vor der eigenen Haustür“ stattfanden. Als wir im Gespräch mit dem Ortschronisten André Kaiser von weiteren Erinnerungsberichten erfuhren, entstand die Idee, die beschriebenen Ereignisse vor Ort zu erkunden und in Karten nachzuvollziehen. Dieses Vorhaben konnten wir dank zweier Stipendien der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen im Herbst 2020 umsetzen.

Sehr schnell sammelte sich eine Fülle an Material an, so dass wir uns zunächst auf den Kurort Hartha konzentrierten. Nach der Auswertung von Erinnerungs-, und Presseberichten, Literatur, historischen Luftbildern und Lageskizzen sowie nach Begehung der Schauplätze speisten wir die gewonnenen Informationen in eine Geodatenbank ein. Dabei entstand eine Art „Raumchronik“, in der die Ereignisse zu Kriegsende, wie Kämpfe, Militärbewegungen, Fluchten, Todesmärsche oder das Schicksal der lokalen Bevölkerung dargestellt sind. Die entstandenen Karten und gewonnenen Informationen möchten wir Ihnen gern vorstellen.

Links: Mit ausgewerteten Berichten, ersten Karten, GPS-Gerät, Fotoapparat und Maßstab ging es auf Spurensuche. Mitte / rechts: Ein „Todesmarsch“ von Gefangenen des KZ-Außenlagers Neustaßfurt führte vermutlich von Fördergersdorf kommend über den Buchenweg (mittleres Bild), und nach Station in der ehem. Feldscheune weiter nach Grillenburg.

Projekt „Mitmach-Raum-Tagebuch“

Viele Fragen blieben dennoch offen und es stellten sich neue. Zudem waren die meisten Ereignisse mit benachbarten Gemeinden verbunden und sind nur durch größeren Überblick zu verstehen. Deshalb möchten wir im nächsten Schritt weitere Orte im und um den Tharandter Wald erforschen und erfahren, wie das Kriegsgeschehen mit dem Alltag und dem Wohnumfeld der damaligen Bevölkerung verwoben war. Wir hoffen auf reges Interesse und Unterstützung, denn wir sind uns sicher, dass bei Vielen noch Kenntnisse „schlummern“.

Entstehen soll bis Frühjahr 2023 ein „Mitmach-Raum-Tagebuch“ zum Kriegsende im Tharandter Wald. Wir sind daher auch interessiert an Fotografien, persönlichen Aufzeichnungen, Berichten von Zeitzeug*innen oder Angehörigen. Gern können sich Interessierte an Recherchen, Erkundungen und Dokumentationen der Schauplätze oder an der Erarbeitung der Raum-Tagebuch-Inhalte beteiligen.

Veranstaltungsort Erbgericht Kurort Hartha

Die Veranstaltung findet im großen Saal des Erbgerichts Kurort Hartha statt, damit auch alle Interessierten tatsächlich teilnehmen können. Ohnehin ist das Erbgericht einer der historischen Schauplätze unserer Recherche und spielte zu Kriegsende eine wichtige Rolle: Nach Ende der Gefechte und Abzug der deutschen Truppen, die mehrheitlich in Richtung Tharandt abrückten, war Kurort Hartha am 8. Mai 1945 vollständig in sowjetischer Hand. Damit mussten die Bewohner des gesamten bäuerlichen Ortskerns von der Erbgerichtsgasse bis zum Sägewerk ihre Häuser verlassen. Diese Gebäude sollten wegen des Vorwurfs, dass im Ort Widerstand geleistet worden sei, gesprengt werden. Die Zerstörung des Ortsteils wurde durch den Einsatz der Mit-Besitzerin des Erbgerichts, Dorle Schubert, verhindert. An sie erinnert heute vor Ort eine Tafel.

Links: Kurort Hartha, Gebiet der geplanten Zerstörung am 8. Mai 1945. Rechts: Gedenktafel zur Erinnerung an Dorle Schubert am Erbgericht.

Informationen zur Teilnahme

Einlass ist ab 17.30 Uhr. Für die Veranstaltung gelten die Vorgaben der Sächsischen Corona-Schutzverordnung (insbesondere Einhaltung der Mindestabstände).

Carola Ilian (Denkmalpflegerin / Stadt- und Regionalplanerin, Dresden) und Anke Binnewerg (Denkmalpflegerin / Bildende Künstlerin, Kurort Hartha)

(Grafiken und Fotografien von Anke Binnewerg / VG Bild-Kunst 2021)

[27.9.2021]