Anlässlich des Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges starten wir ein gemeinschaftliches Rechercheprojekt zum Kriegsende im Tharandter Wald. Unter dem Titel „Mitmach-Raum-Tagebuch“ laden wir Einwohnerinnen und Einwohner der angrenzenden Orte sowie alle anderen Interessierten zur Beteiligung ein.
Kriegsende im Tharandter Wald
Im Umfeld des Tharandter Waldes kam es in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges zu einer extremen Verdichtung von lokal- bis weltgeschichtlich relevanten Ereignissen. So hatten Kampfhandlungen, Nazi-Verbrechen, die kriegsbedingte Verlagerung von Institutionen, Fluchtbewegungen, Todesmärsche, Zwangsarbeit, Zerstörungen und Plünderungen enge Bezüge zu den Straßen und Wegen, den Plätzen, dem Tharandter Wald und vor allem zu den Einwohnerinnen und Einwohnern – sie fanden sprichwörtlich vor der eigenen Haustür statt. Aus diesem Grund sind diese Ereignisse noch in der Erinnerung vieler Ortsansässiger präsent und lassen sich oft auch räumlich nachvollziehen. Genau diese lokalen Bezüge sind Ausgangspunkt für unser Projekt.
Bezüge zum aktuellen Krieg in der Ukraine
Nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich uns im ersten Moment die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Projektes gestellt, zumal einige der Menschen, die mitwirken wollten, nun in Hilfsaktionen voll eingebunden sind. Wir sind jedoch zu dem Schluss gekommen, dass das Projekt Verständnis für die Folgen des Krieges für die Zivilbevölkerung und das eigene Umfeld und damit auch für die heute Betroffenen schaffen kann. Auch die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen treibt diese Frage um und es besteht jetzt noch größerer Gesprächsbedarf, da die erlebten Geschehnisse wieder verstärkt in die Erinnerung drängen.
Wie die gemeinschaftliche Recherche stattfinden soll
Wir bitten um die Bereitstellung von Aufzeichnungen, Fotografien und Informationen. Wir sprechen mit Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, deren Erinnerungen für uns besonders wichtig sind. Auch eine Mitwirkung bei der Auswertung von Materialien und Archivrecherchen oder bei der Erkundung und Dokumentation der Schauplätze bis hin zur Mit-Erarbeitung der Raum-Tagebuch-Inhalte ist möglich.
Was dabei am Ende rauskommt
Im Herbst 2022 laden wir Zeitzeuginnen, Zeitzeugen und alle Interessierten zu mehreren „Erzählcafés“ ein, um sich über die Erinnerungen auszutauschen und über die Themen ins Gespräch zu kommen.
Die Ergebnisse der Materialsammlungen, Gespräche, Erkundungen, Recherchen und die gezeichneten Karten fließen in ein gemeinschaftlich erarbeitetes „Raum-Tagebuch“ ein. Dieses wird zwischen Februar und Mai 2023 im Internet veröffentlicht.
Alle digital gesammelten Materialien werden zudem aufbereitet und einschlägigen Archiven zur Verfügung gestellt.
Erste Entwürfe für den Raum-Tagebuch-Blog:
In Kooperation mit André Kaiser, Ortsvorsteher und Ortschronist Kurort Hartha.
Dieses Projekt wird gefördert durch den Fonds Soziokultur aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten aus Steuermitteln auf der Grundlage des von den Abgeordneten des Sächsischen Landtags beschlossenen Haushaltes.
Wir freuen uns über das entgegengebrachte Vertrauen und insbesondere darüber, dass die Aufarbeitung der NS-Zeit im ländlichen Raum als förderwürdig angesehen wird.
Kontakt: raumtagebuch@gmx.de
Carola Ilian und Anke Binnewerg
[29.3.2022; aktualisiert 4.4.2022]