Auch wenn das Jahr 2021 mit einem Lockdown begann und – zumindest hier in Sachsen – wieder mit einem halben endet, gab es doch viel zu tun, spannende Projekte, Erkundungen, neue Erfahrungen und das nicht nur im digitalen Raum, der zum Arbeits-, Kommunikations-, Weiterbildungs- und Tagungsraum wurde, sondern auch an vielen ganz konkreten Orten.
Das Jahr begann mit einem gemeinsamen Wettbewerbs-Entwurf mit Iris Engelmann und Carola Ilian für den Neubau des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Leibniz-Forschungsinstitut für Archäologie in Mainz. Auch wenn unsere Kunst-am-Bau-Idee „Aushub“ nicht zur Realisierung ausgewählt wurde, war das doch ein sehr schöner Jahresstart und die Erprobung eines komplett digitalen Arbeitsprozesses, über den wir nach Abschluss des Wettbewerbsverfahrens noch berichten werden.
Die Hauptarbeit des Jahres bezog sich wieder auf Thüringen. Einen großen Umfang nahm die Arbeit an meiner Promotion ein, bei der ich am Beispiel der Gedenkstätte Buchenwald die Geschichte, Theorie und Umsetzung des Denkmalschutzes ehemaliger NS-Zwangslager erforsche. Zudem durfte ich in der ersten Jahreshälfte zwei Aufträge für die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora bearbeiten. Dabei handelte es sich um bauhistorische Übersicht zum ehem. Wirtschaftskeller des Konzentrationslagers Buchenwald und anschließend die Erstellung einer kommentierten bauhistorischen Materialsammlung, Recherchen und Analysen zum Komplex des einstigen Lagerkrematoriums.
Unmittelbar nach Abschluss dieses Projektes bekam ich ab Sommer die Möglichkeit, im benachbarten Weimar in eine ganz andere Thematik einzutauchen: Ich durfte im Auftrag der ARGE Fachplanung Restaurierung an der Erarbeitung einer restauratorischen Zielstellung für den Ostflügel des Weimarer Residenzschlosses mitwirken. Anders als anfangs gedacht, erwies sich die Beschäftigung mit der über 500jährigen Bau- und Nutzungsgeschichte des Gebäudes in methodischer Hinsicht als gar nicht so weit entfernt von meinen sonstigen Arbeitsthemen. Zudem gibt es zwischen dem Schloss aufgrund der nationalsozialistischen „Säuberung“ der dortigen Ausstellung von modernen Kunstwerken 1930 und dem Einbau eines Bunkers unter mutmaßlicher Beteiligung von Zwangsarbeitern in den 1940er Jahren diverse thematische Bezüge zu meinem sonstigen Interessengebiet.
Ab April nahmen Carola Ilian und ich unser gemeinsames Projekt zum Kriegsende im Tharandter Wald wieder auf. Nachdem wir dazu letztes Jahr eine Vorstudie durchgeführt hatten, entwickelten wir dieses Jahr daraus die Idee für das gemeinschaftliche Rechercheprojekt „Mitmach-Raumtagebuch“. Highlight war im Oktober die Vorstellung der Vorstudienergebnisse und neuen Projektidee im Saal des Erbgerichts Kurort Hartha, wo uns die rege Beteiligung beflügelte. Vor wenigen Tagen erhielten wir zudem die erfreuliche Nachricht, dass ein Teil des Projektes durch die Stiftung Sächsische Gedenkstätten gefördert wird, so dass wir dieses 2022 realisieren können.
Im Sommer begannen Carola Ilian und ich einen Austausch mit der „Solidarischen Alternative für Taucha e.V.“ zum Umgang mit der baulichen Überlieferung der NS-Zwangsarbeit in Taucha. Hierbei haben wir gemeinsam die Idee für eine lokale Geschichtswerkstatt und einen Startworkshop entwickelt, die wir 2022 voranbringen möchten. Zudem haben wir die Initiative gegen den Abriss eines Tauchaer Gebäudes des NS-Rüstungskonzerns HASAG unterstützt.
Im Herbst begann ich mit einer kleinen Studie zu Denkmalschutz und Denkmalpflege ehemaliger früher Konzentrationslager in Sachsen, deren Ergebnisse ich im Juli 2022 auf einer Tagung des Landesamtes für Denkmalpflege Baden-Württemberg in Ulm vorstellen werde. Dabei kann ich mich auf die Forschungen der sog. Atlasgruppe zu NS-Terror und Verfolgung in Sachsen stützen und auf die detaillierte Informationssammlung auf dem Gedenkplätze-Portal. Zu der Thematik der frühen Lager in Sachsen gibt es zudem den beeindruckenden Film „Zustand und Gelände“.
Im September führten Iris Engelmann und ich am „Tag des offenen Denkmals“ einen Rundgang durch die Ausstellung „Dinge unserer Nachbarn… geborgen. Funde aus dem Kriegsgefangenenlager Zeithain“, die wir mit Carola Ilian 2020 für die Gedenkstätte Ehrenhain-Zeithain erarbeitet hatten, durch. Sie ist mittlerweile bereits zum 2. Mal verlängert, allerdings aufgrund des Kultur-Lockdowns aktuell geschlossen.
Im Oktober leitete ich auf dem „Erinnerungspolitischen Fachtag“ der Sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft für die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus (SLAG) einen Workshop zur Gründung einer Arbeitsgruppe, die sich der Schaffung einer Datenbankstruktur für die SLAG-Mitglieder widmen möchte.
Im November beteiligten Carola Ilian und ich uns mit gleich zwei Beiträgen am Workshop „Historisch-politische Bildungsarbeit zu NS-Verbrechen im öffentlichen Raum“ der Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig. Mit methodischen Überlegungen und praktischen Erfahrungen zu partizipativen Formaten der Vermittlung von NS-Geschichte im öffentlichen Raum brachten wir ein Thema ein, das uns sehr am Herzen liegt und an dem wir auch 2022 dranbleiben werden.
Sehr beeindruckt hat mich im Juli 2021 der Besuch der „Bílinale II“, dem Festival zeitgenössischer Kunst in drei Kirchen in den tschechischen Orten Bílina, Hrobčice und Chouč, der eine Mischung aus Kulturlandschafterfahrung, Spurensuche zur sudetendeutschen Geschichte und das Erlebnis großartiger künstlerischer Arbeiten beinhaltete.
Ein ebenfalls besonderes Erlebnis war im September der Besuch des „Pfades der Begegnung“ im Nationalpark Hainich und eine Führung mit dessen Gestalter, dem Karlsruher Landschaftsarchitekten Peter Stibane, der für diesen Weg philosphische und literarische Texte zu Natur und Landschaft mit künstlerischen Installationen verband.
Eine Reihe von Ausflügen führte mich dieses Jahr nach Sachsen-Anhalt. Neben der Besichtigung der Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge, über die ich eine kurze Besprechung veröffentlicht habe, besuchte ich auch Kirchen und Klöster auf der Straße der Romanik in Halberstadt, Quedlinburg, Gernrode und Klostergröningen. Das war auch eine Reise durch die Geschichte der Denkmalpflege, die dort vielfach bereits im 19. Jahrhundert begann. Auch die Zeit des Nationalsozialismus hinterließ mit Indienstnahme und Umbau der Quedlinburger Stiftskirche durch die SS ihre Spuren in der Gegend. Ungeachtet dessen fasziniert mich die mittelalterliche Baukunst und religiöse Kultur nach wie vor, wie sie beispielsweise im Halberstädter Domschatz, der jetzt auch online erfahrbar ist, deutlich wird.
[22.12.2021]